Lexikon der Mobilität

Leistungsfähigkeit, Teil 2: Über weite Strecken schwierig

Leis|tungs|fä|hig|keit, die (f.): Schlüsselgrösse der Verkehrstechnik, aber auch wichtig für die Verkehrsplanung allgemein. Beschreibt, wie viele Fahrzeuge oder Menschen eine bestimmte Strecke oder einen Knoten pro Stunde maximal passieren können. So komplex, dass mehrere Blogeinträge im Lexikon nötig werden.

Teil 2: Über weite Strecken schwierig

Worum es geht

Im ersten Teil habe ich beschrieben, wie wir die Leistungsfähigkeit einer freien Strecke bestimmen. Diese hängt vor allem von drei Faktoren ab: Der Anzahl Fahrspuren, der gefahrenen Geschwindigkeit und der Verkehrsdichte, also dem Zufluss. Zudem habe ich dargelegt, wieso die Vergleiche mit dem Wasser oft zu kurz greifen. Die Menschen möchten aber von uns Verkehrsplaner*innen nicht nur wissen, wo die Grenzen sind. Sie möchten vielmehr hören, wie wir die Grenzen verschieben können: Wie kann die Leistungsfähigkeit verändert werden? Darum geht es im zweiten Teil. Ich konzentriere mich wiederum auf das Beispiel einer freien Strecke (z.B. eine Autobahn oder eine Hauptverkehrsstrasse ausserorts). Zudem beschränken sich die folgenden Ausführungen auf den Kern: Es geht darum, ob und wie die Leistungsfähigkeit für den Autoverkehr wirksam erhöht werden kann und nicht darum, ob das aus einer gesamtheitlichen Sicht sinnvoll ist.

Wie wir damit arbeiten

Wenn ich mit Menschen ausserhalb der Planungsbranche spreche, habe ich folgende Aussage schon oft mehr oder weniger scherzhaft gehört: «Was macht ihr Planer*innen bloss, so schwierig kann es ja nicht sein, Staus zu vermeiden.» Viele haben auch konkrete Ideen, was wir besser machen könnten. Diese Massnahmen wirken auch – und doch nicht immer so wie erhofft. Nachfolgend erörtere ich die häufigsten Vorschläge, ihre Potentiale und Grenzen.

 

Wenn die Fahrzeuge näher aufeinander folgen, steigt auf den ersten Blick tatsächlich die Leistungsfähigkeit. Gut beobachten kann man das zum Beispiel auf der A1 Nordumfahrung Zürich, wo in der Morgen- und Abendspitze die Abstandsregel von 2 Sekunden aus dem Theorieunterricht kaum jemals eingehalten wird. Und tatsächlich fahren dort auch mehr Fahrzeuge pro Stunde als nach Norm erwartet . Hohe Dichten sind aber riskant: Häufig kommt es zum abrupten Zusammenbruch des Verkehrsflusses. Sehr schön erkennbar ist das in diesem Video zu einem Experiment mit realen Fahrzeugen. Dieses zeigt anschaulich den Tipping Point der Kapazität: Wenn zu viele Fahrzeuge auf einer Spur hintereinander fahren, nimmt der Abstand ab. Ab einem gewissen Punkt löst das eine Kettenreaktion aus: Immer mehr Fahrzeuge müssen bremsen, bei tieferer Geschwindigkeit nimmt die Kapazität ab, in der Folge nimmt der Stau schnell zu. Dass das so ist, hat auch mit den gefahrenen Geschwindigkeiten zu tun. Das führt uns direkt zum nächsten Ansatz.

Für viele tönt diese Lösung auf den ersten Blick einleuchtend. Der Zusammenbruch der Geschwindigkeit führt ja wie oben beschrieben zu Stau, also müsste die Kapazität bei höheren Geschwindigkeiten steigen. Nur ist der Zusammenhang zwischen Geschwindigkeit und Kapazität leider nicht linear. Wie bereits in Teil 1 beschrieben nimmt die Kapazität mit steigender Geschwindigkeit nur bis etwa 80 km/h zu. Danach nimmt sie bei gleichbleibender Verkehrsmenge ab. Wenn also eine schon dichte Fahrzeugkolonne beschleunigt, entsteht irgendwann Stau, selbst wenn die Strasse immer gleich breit ist. Dieses Phänomen nennt man den «Stau aus dem Nichts«. Theoretisch hergeleitet wurde dieses Phänomen durch das Modell von Schreckenberg-Nagel. Dieses zeigt, dass der Verkehrsfluss im Autoverkehr durch drei typische Verhaltensmuster der Fahrzeuglenker*innen realistisch simuliert werden kann:

  • Erstens versuchen sie, so schnell wie möglich die (signalisierte) Höchstgeschwindigkeit zu erreichen (Beschleunigung).
  • Zweitens möchten sie aus Sicherheitsgründen nicht zu nahe aufschliessen, um rechtzeitig anhalten zu können (Kollisionsfreiheit).
  • Drittens verhalten sich zwischen diesen beiden Randbedingungen nicht alle gleich: Einige schliessen möglichst schnell auf. Dadurch werden die Kapazitäten im besten Fall optimal genützt, weil die Abstände klein bleiben. Wenn aber das vordere Fahrzeug weniger schnell beschleunigt als erwartet, muss die nachfolgende Lenkerin wieder bremsen, was eher zu Stau führt (Überreagieren). Andere schliessen erst bei grösseren Lücken oder verzögert auf. Das verhindert allzu abrupte Bremsmanöver, falls das vorangehende Fahrzeug plötzlich bremsen muss, was sich positiv auf den Verkehrsfluss auswirkt. Es führt aber auch zu grösseren Abständen, und damit wird die Kapazität nicht voll ausgeschöpft, was ebenfalls zu mehr Stau führen kann (Trödeln).

Zu kompliziert? In diesem Video erläutert Professor Schreckenberg das Phänomen anschaulich, und dieses wird auch gleich im realen Test bestätigt. Zusammenfassend: Der «Stau aus dem Nichts» entsteht dadurch, dass nicht alle gleich beschleunigen und unterschiedliche Abstände einhalten. Und diese Unterschiede führen bei hohen Geschwindigkeiten häufiger zum Zusammenbruch. Ohne Tempolimiten gäbe es also sogar mehr Stau. Deshalb ist es sinnvoller, bei starkem Verkehrsaufkommen auf Autobahnen die Geschwindigkeit auf 80 km/h zu begrenzen, da bei diesem Tempo die Kapazität am höchsten ist. Das verringert die Tempounterschiede, vor allem auch zwischen Autos und Lastwagen – und damit kommen wir zum nächsten Punkt.

Ja, der Lastwagenanteil hat einen Einfluss auf die Kapazität. Das liegt vor allem daran, dass sie langsamer unterwegs sind als die meisten Autos. Damit streuen die gefahrenen Geschwindigkeiten stärker, was wiederum zu mehr «Staus aus dem Nichts» führt (vgl. oben). Überschätzen sollten wir den Einfluss aber nicht: Steigt der Schwerverkehrsanteil von den üblichen 5% auf hohe 10%, dann nimmt die Kapazität bei sonst gleichen Bedingungen um weniger als 10% ab (z.B. auf einer zweistreifigen Autobahn bei 120 km/h und kleiner Steigung von 3%: von 3’800 Fz/h auf 3’500 Fz/h; Quelle: SN 40 018a). Im Einzelfall können mehr Lastwagen also zu Stau führen – es ist aber nicht so, dass von einem Tag auf den anderen alle Staus auf den Autobahnen weg wären, wenn der Güterverkehr nicht mehr auf der Strasse wäre. Wirksam mit geringem Aufwand ist ein Überholverbot für Lastwagen, vor allem auf Autobahnen mit zwei Spuren pro Richtung, in Steigungen sowie bei Tempo 120: Weil ein überholender Lastwagen nur wenig beschleunigen kann, dauert der Überholvorgang lange. In der Folge müssen alle folgenden, schneller fahrenden Autos auch auf der linken Spur abbremsen.

Theoretisch liegt die Kapazität einer Strasse mit 2 oder 3 Spuren je Richtung auch doppelt oder drei Mal so hoch wie bei einer Strasse mit nur einer Fahrspur pro Richtung. Unter idealen Bedingungen (flaches Gelände, geringer Lastwagenanteil, signalisierte Geschwindigkeit von 80 km/h) könnten so 4’000 (bei 2 Spuren) bzw. 6’000 (bei 3 Fahrspuren) Fahrzeuge pro Stunde pro Richtung verkehren (Quelle: SN 40 018a). Diese hohen Kapazitäten werden aber nur unter optimalen Bedingungen erreicht , insbesondere wenn es wenig Wechsel zwischen den Fahrspuren gibt. Tatsächlich nutzen Lenker*innen die zusätzlichen Spuren aber auch, um zu überholen. Dadurch werden die Unterschiede der einzelnen Fahrzeuge bei Geschwindigkeit und Abstand grösser – und die oben beschriebenen Werte werden nicht mehr erreicht. Ein- und Ausfahrten haben einen ähnlichen Effekt: Weil sich auf kurzer Distanz immer wieder einfahrende Fahrzeuge in den Verkehrsfluss einordnen oder ausfahrende Fahrzeuge vor der Ausfahrt die Spur wechseln müssen, werden die theoretischen Kapazitäten aller Fahrspuren nicht voll genutzt. Das wurde in einem Forschungsbericht von 2004 mit Messungen bestätigt: So erreichte die A1 auf dem Felsenauviadukt bei Bern mit 3 Spuren pro Richtung bereits bei 5’200 Fahrzeugen pro Stunde die Leistungsgrenze. Dieser Effekt ist für die Schweiz besonders relevant, wo durchschnittlich alle 4.7 km ein Anschluss liegt (Deutschland: alle 5.8 km*). Auf den stark befahrenen Abschnitten um die grossen Zentren dürfte der Abstand zwischen zwei Anschlüssen noch geringer sein. Betrachten wir die Infrastruktur selbst, heisst das dennoch: Ja, ein Ausbau der Fahrspuren erhöht die Kapazität, wenn auch nicht 1:1.

Allerdings ist das nur die halbe Wahrheit: Die höhere Kapazität von Strassen führt oft genug dazu, dass die Belastung danach stärker zunimmt. Der ehemalige VW-Vorstand Daniel Goeudevert hat das im Zitat «Wer Strassen sät, wird Verkehr ernten» zusammenfasst. Dieser griffige Satz klammert einen wichtigen Punkt aus: Es ist das Verhalten von uns Menschen, das bei einem Kapazitätsausbau zu mehr Belastungen führt. Das Downs-Thomson-Paradoxon und das Braess-Paradoxon beschreiben den Zusammenhang theoretisch. Vereinfacht gesagt besagen beide Paradoxa, dass die einzelnen Verkehrsteilnehmenden ihr Verhalten aufgrund des Kapazitätsausbaus für sich selbst zu optimieren versuchen, dass aber alle diese veränderten Entscheidungen in der Summe das Gesamtsystem schwächen (eine Form des Gefangenen-Dilemmas). Das kann insbesondere einen oder mehrere der folgenden Gründe haben:

  • Die ausgebaute Strasse ist für sehr viele Fahrten attraktiver und zieht Verkehr an, der vorher über andere Strassen verkehrte (Routenwahleffekt).
  • Weil das Auto als Verkehrsmittel durch den Ausbau im umliegenden Gebiet insgesamt attraktiver wird, sind mehr Menschen mit dem Auto statt mit ÖV oder Velo unterwegs (Verkehrsmittelwahleffekt).
  • Verkehrsteilnehmende, die vor dem Ausbau den Stauzeiten ausgewichen sind, indem sie früher abfuhren (z.B. um 6 Uhr morgens), fahren jetzt wieder zu ihrer eigentlichen Wunschzeit (z.B. um 7 Uhr) und erhöhen die Belastung in der (schmaleren) Spitze (Abfahrtszeitwahleffekt).

Beide Theorien konnten in der Praxis belegt werden, vgl. dazu die Hinweise bei den beiden obigen Wikipedia-Einträgen. Gut zeigen lässt sich der Effekt auch am Beispiel des Bareggtunnels (A1) in der Schweiz anhand der Berichte zum Verkehrsfluss auf Nationalstrassen des ASTRA: Vor dem Ausbau auf drei Röhren traten noch 2003 gut 2000 Staustunden pro Jahr auf. Mit dem Ausbau sank dieser Wert bis 2005 um mehr als die Hälfte auf noch 900 Staustunden pro Jahr. Bereits 2008 wurden aber wieder 1’600 Staustunden gezählt. Nur 5 Jahre nach der Eröffnung schmolz die Staureduktion durch den massiven Kapazitätsausbau (von 4 auf 7 Spuren über beide Richtungen) also auf einen Drittel zusammen. Parallel dazu nahm die Anzahl Staustunden am Gubristtunnel (A1 Nordumfahrung Zürich) deutlich zu. Paradoxerweise misslang es also nicht nur, mit dem Ausbau den Engpass nachhaltig zu entschärfen. Wahrscheinlich stieg dadurch sogar noch der Druck auf einen bereits hochbelasteten benachbarten Strassenabschnitt. Aufgrund von Definitionsänderungen bei der Auswertung lässt sich die weitere Entwicklung bis heute nicht einfach fortschreiben. Die Entwicklung lässt sich aber erahnen: Der Jahresbericht 2018 (noch vor der Pandemie) nennt für den Grossraum Baregg 344 Stautage pro Jahr, im Jahr 2008 waren es noch 265 Stautage. Weniger als 20 Jahre nach der Eröffnung der 3. Tunnelröhre am Baregg überlegt der Bund, wie er den Engpass am Baregg durch eine 4. Röhre oder eine grossräumige Umfahrung im Limmattal beseitigen kann. Offen ist, ob und wann eine solche Erweiterung kommt – und wie lange diese neuen Kapazitäten reichen werden.

Alle reden von autonomen Fahrzeugen, dabei ist noch vieles unklar. Wichtig ist dabei erstmals die Differenzierung, von welchen Fahrzeugen wir überhaupt sprechen. Der Fachverband SAE unterscheidet zwischen fünf Leveln von autonomen Fahrzeugen, eine gute Übersicht zu den Levels und der aktuellen Verbreitung gibt es hier. Wenn wir von autonomen Fahrzeugen sprechen, die mit geringerem Abstand und deshalb effizienter verkehren, meinen wir damit mindestens Level 4, eher Level 5. Eine Studie im Rahmen des Forschungspaketes «Auswirkungen des automatisierten Fahrens» für die Schweiz geht davon aus, dass die Kapazität von Autobahnen um 30% (bei Tempo 80 bis 100) bzw. 20% (bei Tempo 120) gegenüber heute erhöht werden kann, wenn nur noch autonome Fahrzeuge (SAE-Level 5) unterwegs sind. Eine Studie des BaslerFonds weist darauf hin, dass auf den städtischen Strassennetzen die Kapazität der Knoten entscheidend bleibt und dass deshalb auf Stadtstrassen höchstens Kapazitätseffekte von 10-20% realistisch sind. Voraussetzung für Kapazitätsgewinne ist zudem, dass die digitale Kommunikation zwischen Infrastruktur und Fahrzeugen abgestimmt ist. Das heisst, dass die Fahrzeuglenker*innen bereit sein müssen, die Steuerung auch wirklich abzugeben – sie können also beispielsweise nicht mehr selbst entscheiden, ob sie das voranfahrende Auto überholen, das entscheidet das System für sie. Es ist offen, wie diese Entwicklung mit den hergebrachten Idealen des Autoverkehrs («Freie Fahrt für freie Bürger») zusammenpasst.

Beide oben erwähnten Studien weisen darauf hin, dass der Effekt geringer ist, solange weiterhin konventionelle Fahrzeuge unterwegs sind. Deshalb ist die Frage wichtig, wie schnell sich autonome Fahrzeuge verbreiten: Eine Studie von AVENUE kommt zum Schluss, dass voll autonome Fahrzeuge (Level 5) bald auf Autobahnen fahren werden. Auf Stadtstrassen sei dagegen auf absehbare Zeit bei den heute üblichen Geschwindigkeiten kein sicherer Verkehr mit autonomen Fahrzeugen möglich. Eine weitere Studie im Rahmen des oben erwähnten Forschungspaketes kommt dagegen zum Schluss, dass autonome Fahrzeuge (allerdings Level 4) bis 2040 auf Stadtstrassen verkehren können. Gleichzeitig prognostizieren die Autoren aber, dass bis 2040 maximal 20% der Flotte aus autonomen Fahrzeugen bestehen wird, was die Kapazitätseffekte stark reduziert. Zudem zeigt die Studie, dass die Prognosen zur Verbreitung in der bestehenden Literatur in sehr hohem Masse schwanken.

Dennoch: Wenn es gelingen sollte, dass bis 2040 nur noch autonome Fahrzeuge vom Level 5 auf dem Strassennetz unterwegs sind, würde die Kapazität des Strassennetzes je nach Strecke um 10 bis 30% steigen. Aber reicht das, damit Staus bald der Vergangenheit angehören? Eher nein:

  • In seinen Verkehrsperspektiven geht der Bund davon aus, dass die Verkehrsleistung des MIV bis 2040 gegenüber 2010 je nach Szenario um 15% bis gut 20% zunimmt. Gegenüber heute wäre das eine Zunahme um 10% bis 15%. Mit diesem Wachstum ginge rund die Hälfte der zusätzlichen Kapazitäten durch Autonomes Fahren auf Autobahnen wieder verloren. Zudem: Bei diesen Szenarien geht der Bund davon aus, dass der Autoverkehr prozentual weniger stark wächst als in der Vergangenheit und dass der Anteil am gesamten Verkehr abnimmt. Wächst der Autoverkehr wie bis anhin, würde nur ein Drittel der gewonnenen Kapazität bleiben.
  • Nutzen wir die neuen Technologien nur, um den Komfort zu steigern und neue Mobilitätsangebote zu schaffen, würde das zu mehr Leerfahrten führen und damit die Kapazitätsprobleme auf der Strasse zusätzlich verschärfen. Das gilt insbesondere dann, wenn autonome Fahrzeuge wie heute zum grössten Teil im individuellen Besitz der einzelnen Haushalte sind und wir sie auch nur selber nutzen. Besser sieht es aus, wenn wir autonome Fahrzeuge im Sinne der Sharing Economy bzw. von Mobility as a Service (MaaS) als «Robo-Taxis» gezielt für einzelne Fahrten mieten.
  • Die höhere Kapazität macht das Auto als Verkehrsmittel wieder attraktiver (z.B. durch die Möglichkeit, während der Fahrt arbeiten zu können). Das kann unabhängig vom vorangehenden Punkt genau gleich wie bei Ausbauten (vgl. oben) dazu führen, dass mehr Autos unterwegs sind.

Fazit: Ja, autonome Fahrzeuge werden kommen – aber sie werden nicht alle Verkehrsprobleme lösen. Im besten Fall können sie aber dazu beitragen, diese zu mindern. Dazu braucht es nicht nur Technologie, sondern auch angepasste Organisationsformen und einen Wertewandel.

Zusammenfassend heisst das, dass es uns nicht gelingen wird, mit Ausbauten und betrieblichen Anpassungen von Autobahnstrecken den Stau vollständig zu beseitigen. Einzelne Ansätze können helfen, die Engpässe zu entschärfen. Dazu gehören insbesondere das Verkehrsmanagement auf Autobahnen (Tempo 80 bei starkem Verkehrsaufkommen, Lastwagenüberholverbot) sowie die intelligente Nutzung von autonomen Fahrzeugen. Bei allen Massnahmen auf Autobahnstrecken müssen wir zudem beachten, dass viele Fahrten schlussendlich auch auf das städtische Strassennetz führen – und dort gelten ganz andere Regeln. Dazu mehr im nächsten Teil.

Trotzdem können wir bereits heute wirksam etwas gegen den Stau tun:

  • Wir alle: Akzeptieren, dass Stau zum Autoverkehr dazugehört. Falls das Mühe bereitet: Wie wärs mit Zugfahren, Velo, Fahrgemeinschaft oder dem Wocheneinkauf zu Fuss im Dorf statt im Einkaufszentrum?
  • Die Planer*innen und Politiker*innen: Eine intelligente Infrastrukturpolitik mit dem Fokus, Menschen zu bewegen und nicht Fahrzeuge. Und eine Raumentwicklung, die auf die gut mit ÖV, Velo und zu Fuss erreichbaren Standorte ausgerichtet ist – wie ich das bereits in einem Beitrag zur Erreichbarkeit beschrieben habe.
Warum das wichtig ist

Damit Du beim nächsten Tischgespräch zu den ewigen Staus mitreden kannst. Und damit Du dann weisst, dass sogenannt einfache Lösungen wie die Aufhebung von Tempolimits, mehr Spuren oder das Hoffen auf autonome Fahrzeuge nicht alles lösen oder gar schädlich sein können. Dass Staus zum Strassenverkehr gehören und wir sie nicht einfach wegzaubern können. Und damit Du weisst, dass sich die Diskussion um die Mobilität in Zukunft nicht auf die Kapazitäten von Hochleistungsstrassen konzentrieren sollte.

 

* Die Werte sind grob geschätzt aufgrund von folgenden statistischen Angaben: Hochleistungsstrassennetz CH: 1’460 km Autobahn bzw. 2250 km Nationalstrasse mit 480 Anschlüssen > 1 Anschluss pro 4.7 km; Hochleistungsstrassennetz D: 13’200 km und 2’260 Anschlüsse > 1 Anschluss pro 5.8 km

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