Planungsgeschichten

Trend, wir müssen reden

Die schon oft gehörte Geschichte

Alle Verkehrsplaner*innen, die sich auch mit verkehrstechnischen Fragestellungen beschäftigen, kennen das: Da hat man zusammen mit Gemeinderat Kneubühler und der kantonalen Amtsleiterin Heuberger schon etwa 10 Varianten entwickelt, damit sich der Verkehr an der Schlosskreuzung um 5 Uhr abends nicht mehr derart weit zurückstaut. Da hat man zusammen mit dem gesamten Beurteilungsgremium des Testplanungsverfahrens unter Leitung von Prof. Dr. Teichmann nach langen Diskussionen erkannt, dass die Lichtsignalanlage über alle Verkehrsteilnehmenden gesehen doch besser ist als der zweispurige Kreisel mit zwei Bypässen. Und dann der Hammer: «Wir müssen wissen, ob die vorgeschlagene Lösung auch im Prognosezustand 2040 funktioniert und dass es morgens und abends keinen Stau mehr gibt. Und 10% Reserve sollten sie da auch noch einrechnen, wegen der Prognoseungenauigkeit. Wenn Sie das als Planer*in nicht nachweisen können, machen wir lieber gar nichts.»

Die etwas andere Geschichte

Ich verstehe die Verantwortlichen in Politik und Verwaltung. Ihre Stimmbürger*innen, also ganz allgemein wir alle, möchten Sicherheit. Wenn schon eine Studie erarbeitet wurde für 10’000 Franken oder mehr, dann soll das Resultat bitte hieb- und stichfest sein und die Lösung muss funktionieren. Eine seriöse Verkehrsplanerin wird diese absolute Zusicherung aber nicht abgeben, dazu gibt es in der Planung einfach zu viele Unsicherheiten. Voltaire hat das (ursprünglich italienische) Zitat geschrieben, wonach das Bessere der Feind des Guten sei. Das gilt ganz besonders für verkehrstechnische Projekte: Bei Verkehrsknoten in dichten urbanen Räumen, die täglich von 40’000 Menschen in Bus, Auto, zu Fuss oder auf dem Velo gequert werden, ist es oft nicht möglich, eine Lösung zu finden, die allen gefällt, bei welchen niemand Zeit verliert und die auch noch ohne Abriss von Gebäuden möglich ist. In solchen Fällen muss es auch mal reichen, dass das vorgeschlagene Projekt deutlich besser ist als nichts zu tun. Dies nur schon deshalb, weil Knoten innerhalb der städtischen Räume entscheidend für die verkehrliche Leistungsfähigkeit sind (dazu mehr in einem späteren Beitrag). Viel wichtiger als eine künstliche Grösse wie zum Beispiel die Verkehrsqualitätsstufe sind deshalb die folgenden Fragen:

  • Wieviele Menschen (und nicht Fahrzeuge!) können eine bestimmte Kreuzung in einer Stunde überqueren und wieviel Zeit brauchen sie dafür?
  • Bekommen die einzelnen Verkehrsmittel und Fahrbeziehungen im Vergleich zu den anderen diejenigen Kapazitäten, die sie gemäss den verkehrspolitischen Zielen erhalten sollten?
  • Kann der öffentliche Raum auch mit den geplanten Optimierungen an den Verkehrsinfrastrukturen attraktiv gestaltet  werden?

Diese Fragen sollten wir uns deshalb viel öfter stellen

Warum man als Planer immer nur die Leistungsfähigkeit der vorgeschlagenen Lösung nachweisen? Warum braucht es eigentlich für den Prognosezustand keinen Leistungsfähigkeitsnachweis? Reicht es nicht, dass eine Lösung aus Sicht aller Beteiligten sehr gut ist oder zumindest akzeptiert wird?

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